Update Letter Nr. 153
Überarrestierung, Sperrlimite
15. März 2024
Das Obergericht des Kantons Zug hat sich im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Arrestvollzug gemäss Art. 17 SchKG in einem Urteil vom 23. Januar 2024 zu zwei Aspekten des Arrestrechts geäussert:
A Überarrestierung
Überarrestierung liegt vor, wenn der Arrestgläubiger in rechtsmissbräuchlicher Weise mehr Vermögenswerte des Arrestschuldners arrestieren lässt, als zur Deckung seiner Forderung notwendig ist. Gemäss ständiger Rechtsprechung muss der Einwand des Arrestschuldners im Rahmen einer Beschwerde gegen den Arrestvollzug geltend gemacht werden (z.B. BGer, 10.9.2009, 5A_225/2009 E. 6.2.). Im Basler Kommentar 3. Aufl. 2021 wird in Art. 275 N 72 ausgeführt, dass beim schweizweiten Arrest eine Überarrestierung nicht mit Beschwerde gegen den Arrestvollzug gerügt werden könne, sondern nur mit einer Arresteinsprache.
Das Obergericht Zug hat auf diese Literaturstelle verwiesen, ohne sich mit der langjährigen Lehre und Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Im Sinne einer Eventualbegründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerde des Beschwerdeführers auch abgewiesen werden müsste, wenn sein Einwand im Art. 17 SchKG-Beschwerdeverfahren gegen den Arrestvollzug geprüft werden müsste.
Die schweizweite gerichtliche Arrestbewilligung gemäss Art. 271 Abs. 1 SchKG und der schweizweite betreibungsamtliche Arrestvollzug gemäss BGE 148 III 138 ändern am Arrestvollzug mit Ausnahme der Kompetenz des Arrestgerichtes und der Vollzugsbehörde nichts. Eine Überarrestierung muss wie bisher beim Betreibungsamt und evtl. mit einer Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG geltend gemacht werden. Sachliche Gründe, einen Arrestschuldner zu zwingen, die Überarrestierung in der Arresteinsprache und damit noch vor der Rechtskraft des Arrestbefehls vorzubringen, sind nicht ersichtlich (so auch KUKO SchKG, 3. Aufl., Art. 275 N 8, erscheint voraussichtlich Ende 2024).
Der Entscheid des Obergerichtes Zug, dass eine Überarrestierung bei einem schweizweiten Arrest mit Arresteinsprache vorzubringen ist, ist falsch.
B Sperrlimite
Das Betreibungsamt schätzt die Vermögenswerte gem. Art. 275 i.V.m. 97 SchKG (BGer, 3.12.2019, 5A_530/2019, E. 3.1) und setzt eine Sperrlimite fest, die die Forderung samt Zinsen und Kosten deckt. Die Verfügungsbefugnis des Schuldners über die Vermögenswerte ist über die Sperrlimite hinaus nicht beeinträchtigt. Werden mehr Vermögenswerte mit Beschlag belegt, als dies zur Sicherung der Arrestforderung in der Höhe der Sperrlimite nötig ist, ist der Arrest rechtsmissbräuchlich (Überarrestierung, BGer,10.9.2009, 5A_225/2009, E. 6.2).
Üblicherweise werden von den Betreibungsämtern Sperrlimiten von ca. 20% des Gesamtforderungsbetrages festgesetzt.
Das Obergericht Zug hat beurteilt, ob eine Sperrlimite von 37% gesetzeswidrig sei. Im konkreten Fall hat es ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Arrestforderung, der Zinsen von 8.5% p.a., der Arrestkosten und der zu erwartenden Dauer der Arrestprosequierung die Sperrlimite zwar hoch, aber noch angemessen sei.
Der Entscheid des Obergerichtes Zug zur Sperrlimite ist richtig.
Das Urteil des Obergerichtes Zug vom 23. Januar 2024 zur Überarrestierung und zur Sperrlimite kann hier abgerufen werden.
Zitiervorschlag: Felix C. Meier-Dieterle, www.arrestpraxis.ch - update 153 / 15.3.2024